15.02.2021
Wir wünschen allen MitgliederInnen, Interessierten und Unterstützenden einen wunderbaren Start ins Jahr 2021! Bleibt bitte alle gesund!
Wir beginnen das Jahr mit:
Der Mindestlohn über dem Mindestlohn – ein Brainstorming
Eine Kollegin fragte in einer Facebook-Gruppe einen Anwalt, der sich in eine von vielen Gehaltsdiskussionen einbrachte: „Was ist denn der Mindestlohn über dem Mindestlohn?“ Wir geben ein paar Denk- und Rechenanstöße, um sich selbst Gedanken um seine eigene Gehaltssituation und -forderungen zu machen.
1. Höhe des gesetzlichen Mindestlohns
Ab dem 01.01.2021 steigt der gesetzliche Mindestlohn bis Ende 2022 in vier Stufen, halbjährlich ab 01.01.2021 auf 9,50 €, am 01.07.2021 auf 9,60 €, am 01.01.2022 auf 9,82 € und letztlich am 01.07.2022 auf 10,45 €.
Der RENO Mecklenburg-Vorpommern Landesverband e.V. hält für Berufsanfänger ein Stundenentgelt von mindestens 13,00 € (also aktuell 3,50 € über dem aktuellen gesetzlichen Mindestlohn) für erforderlich:
2. Was brauchst du für eine auskömmliche Rente?
Wie viel Rente du erhältst, ist davon abhängig, was im Laufe des Berufslebens in die gesetzliche Rente eingezahlt wurde. Die Grundlagen der Rentenberechnung findest du auf der Rückseite deiner jährlichen Renteninformation. Einen vollen Entgeltpunkt erzielst du, wenn du das ganze Jahr hindurch genau den Durchschnittsverdienst aller Versicherten erzielt hast. Für 2020 steht auf der Renteninformation hier ein Bruttojahreswert von 40.551,00 €. Das heißt, dass du für einen vollen Entgeltpunkt das ganze Jahr über ein Bruttoentgelt von monatlich 3.379,25 € verdienen müsstest:
Wir stellen mal in den Raum, dass der Durchschnittsverdienst aller Versicherten für eine/n ausgebildete/n Fachangestellte/n wie dich durchaus angemessen erscheint.
3. Niedriglohnsektor beginnt bei einem Stundenentgelt unterhalb von 11,05 €
Das Statistische Bundesamt erklärt in seiner Pressemitteilung Nr. 416 vom 21.10.2020: „Gut jede und jeder fünfte abhängig Beschäftigte (21 %) in Deutschland arbeitete im April 2018 im Niedriglohnsektor. Damit wurden rund 8 Millionen Jobs unterhalb der Niedriglohnschwelle (11,05 EUR brutto je Stunde) entlohnt. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, waren das 393.000 Jobs mehr als im April 2014. Der Anteil der niedrigentlohnten Jobs an allen Beschäftigungsverhältnissen blieb unverändert“, (siehe https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2020/10/PD20_416_623.html).
Im Jahr 2014 wurde die Grenze zum Niedriglohnbereich noch mit 10 € angegeben. Willst du mehr als Niedriglohn verdienen, musst du also mindestens 1.915,33 € als Bruttoentgelt bei 40 Wochenstunden auf deinem Gehaltszettel stehen haben, wirst damit allerdings weiterhin eine viel zu niedrige Rente erhalten. Und Niedriglohn oder knapp drüber ist keine angemessene Bezahlung für ausgebildete Fachangestellte:
4. Ungelernte und QuereinsteigerInnen im Anwaltsbüro
Immer häufiger greifen RechtsanwältInnen aus Verzweiflung auf MitarbeiterInnen zurück, die andere kaufmännische Berufe erlernt haben: z.B. Kaufleute für Büromanagement. Gern wird diesen MitarbeiterInnen der Mindestlohn „angeboten“, weil die Kaufleute ja berufsfremd sind. Das heißt aber nicht, dass sie keine Ahnung von den Tätigkeiten einer Rechtsanwaltsfachangestellten haben, wenn man sich mal tiefgründig die Ausbildungsordnung der Kaufleute anschaut. Juristische Grundlagenkenntnisse aus BGB, HGB und ZPO sind mindestens Ausbildungsinhalte. Ähnlich sieht es aus bei den Immobilienkaufleuten. Es handelt sich um anspruchsvolle Berufsausbildungen. Die Kaufleute können relativ schnell angelernt werden und durch das Angebot von Seminaren und Fortbildungen auch die – wenn auch teilweise eingeschränkt aufgrund von BGH-Vorgaben zur Wiedereinsetzung – Aufgaben von ausgebildeten Rechtsanwaltsfachangestellten übernehmen. Wir halten daher auch hier die Zahlung von lediglich des gesetzlichen Mindestlohns für nicht angebracht, sondern empfehlen auch hier ein Einstiegsentgelt von mindestens 13 €:
5. Arbeitslosengeld und Kurzarbeit
Die Corona-Krise hat es eindrucksvoll gezeigt: Wer von heute auf morgen auf 60 % (ohne Kind) bzw. auf 67 % (mit mindestens einem Kind) von seinem bisherigen Nettogehalt angewiesen ist, kann oft nicht mehr seinen Lebensunterhalt allein bestreiten und ist auf ergänzende Sozialleistungen (Hartz IV) angewiesen. Beachte also bei der Ermittlung deines Wunschgehalts, dass im Falle einer Krise oder eintretender Arbeitslosigkeit deine Sozialleistungen immer noch so hoch sind, dass du deine Miete, Essen, Trinken, Strom, Handy und das Auto auch ohne aufstockende Sozialleistungen bezahlen kannst.
6. Schlussbetrachtungen
Jede/r KollegIn muss sich selbst Gedanken über ihre/seine Gehaltsforderungen machen. Selbstverständlich sind auch die regionalen Bedingungen zu berücksichtigen, die eigenen Lebenshaltungskosten und die eigenen Wünsche an einen angemessenen Lebensstandard. Deshalb können wir nur Anregungen und Denkanstöße anhand aktueller konkreter Zahlen geben. Über Feedback freuen wir uns. Gern stehen wir auch für Nachfragen zur Verfügung: www.reno-mv.de
Jana Gelbe-Haußen
Vorstand des RENO Mecklenburg-Vorpommern e.V.
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